Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin

Kleines Buch - große Wirkung

(08.04.2020)

Ein Tagebuch für Covid19-Patienten auf der Intensivstation

Seit gut einem Jahr gibt es das Intensivtagebuch am Barmherzige Brüder Krankenhaus St. Barbara Schwandorf. Auch jetzt während der Corona-Pandemie werden für Patienten auf der Intensivstation diese speziellen Tagebücher geführt. Bei Patienten, die in ein künstliches Koma versetzt oder die über einen längeren Zeitraum beatmet werden, bleibt das Leben außerhalb der Intensivstation stehen. Oft fragen die Patienten nach ihrer Behandlung, was während dieser Zeit passiert ist. Um das Geschehen auf der Intensivstation wie im realen Leben nachvollziehen zu können, erhalten Patienten ein persönliches Intensivtagebuch.

Durch die Corona-Pandemie sind Patientenbesuche in Krankenhäusern generell untersagt. Für Intensivpatienten bedeutet das, dass ihnen Angehörige oder Freunde nicht von der Situation im Krankenhaus erzählen können. Und viele Patienten haben keine Erinnerungen nach dem Koma. Intensivpatienten kämpfen nach dem Krankenhausaufenthalt oft mit Depressionen und Ängsten. In der Vergangenheit gab es immer wieder Beatmungspatienten, die nach ihrer Behandlung zurück ins Krankenhaus St. Barbara kamen, um zu sehen, wo sie lagen, wie es auf der Intensivstation aussieht und die nochmals ein Gespräch mit den Ärzten und Pflegefachkräften suchten. Sie erinnern sich nicht mehr: „Was ist während der drei Wochen meines Aufenthalts hier passiert? Ich habe da nur eine weiße Wand vor mir, ein Zimmer, ein Fenster.“ In Zeiten von Corona wird es für beatmete Patienten nicht einfacher. Durch das allgemeine Besuchsverbot erhalten sie während des Krankenhausaufenthalts keinen Besuch von Familie und Freunden.

Wolfgang Wack, Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivmedizin am Krankenhaus St. Barbara Schwandorf, hat diese Problematik schon lange vor „Corona“ erkannt. Um den Patienten vorbeugend zu helfen, hat er ein Intensivtagebuch konzipiert. Dieses Tagebuch gibt es bereits seit einem Jahr am Krankenhaus St. Barbara. Es wird während des Patientenaufenthalts auf der Intensivstation vom Pflegepersonal und von den Ärzten geführt. Darin werden zum Beispiel die stationäre Aufnahme, der Aufenthalt im Krankenhaus St. Barbara und der Krankheitsverlauf sowie die verschiedenen Entwicklungsschritte des Patienten chronologisch beschrieben. „Mit Hilfe eines persönlichen Tagebuchs ermöglichen wir jedem Patienten, der längere Zeit bei uns auf Intensiv liegt und sediert wurde, diese Zeit nachzuverfolgen und zu verstehen“, sagt Wack. Die Erfahrungen mit dem Buch waren außergewöhnlich positiv. Nicht nur Patienten und deren Angehörige zeigten sich dankbar und froh über die liebevollen Aufzeichnungen, auch auf fachlicher Ebene wurde das Intensivtagebuch hochgelobt und sogar mehrfach ausgezeichnet. Für das Konzept erhielt das Krankenhaus St. Barbara den KU Award 2019 und den Rotthaus Klinik Award 2019.

Das Intensivtagebuch dient den Patienten nach der Zeit auf der Intensivstation als Anhaltspunkt. Den Betroffen fehlen Tage oder sogar Wochen ihres Lebens, in denen sie nicht mehr aktiv waren, nicht mehr der gewohnten Arbeit und den geliebten Hobbys nachgehen konnten. Das fehlt den Patienten. „Wenn man aber einen Anhaltspunkt hat und in Ruhe nachlesen kann `Aha, das war eine Zeit, da habe ich geschlafen, da war mein Kreislauf noch schlecht, die Wunde war schlecht verheilt`, dann hilft einem das, das Ganze zu verarbeiten“, wirbt Wolfgang Wack für sein Werk.

Jeder vierte bis fünfte Patient ist nach seinem Aufenthalt auf einer Intensivstation von Depressionen, Angst oder einer posttraumatischen Belastungsstörung betroffen. Den Menschen fällt es oft schwer, die verlorene Zeit sowie die durch die Sedierung bedingten wahnhaften Erlebnisse zu rekonstruieren und zu verarbeiten. Nach der Intensivbehandlung erhalten der Patient oder seine Angehörigen das Buch. Der Patient kann das Tagebuch sogar weiterführen, wenn er dies möchte – zum Beispiel während einer anschließenden Reha-Maßnahme. Fazit: Ein solches Tagebuch kann den oben genannten Spätfolgen entgegenwirken, indem es den Betroffenen hilft, die verlorene Zeit zu rekonstruieren.