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Effiziente Logistik entlastet die Pflege
Als die Nachricht in den Medien erschien, dass der rund 400 Meter lange Containerfrachter „Ever Given“ mit rund 14.000 Containern im Suezkanal auf Grund gelaufen ist, schrillten bei dem Leiter des Zentrallagers Gunter Walzenbach die Alarmglocken. Aus seinen über dreißig Jahren Erfahrung in der Logistik wusste er sofort, dass das Schiff – beladen mit wichtigen Lieferungen für die europäische Just-in-TimeProduktion, aber auch mit medizinisch notwendigen Gütern – den wichtigsten Seeweg zwischen Asien und Europa im März über Tage blockieren würde. Immerhin passieren im Durchschnitt über 50 Schiffe den Kanal. Er und seine drei Kolleg:innen Babette Huber, Lydia Roidl und Jonas Wallner stimmten sich daher bereits am nächsten Tag mit dem Einkauf ab, um rechtzeitig genügend „kritische“ Medizinprodukte für das Krankenhaus St. Barbara zu ordern, bevor der allgemeine Run auf Artikel wie Untersuchungskittel, FFP-2 Masken oder Vlies-Stoffe begann. „Schon die Corona-Krise hat für Verwerfungen im maritimen Handel gesorgt und die Preise für Container-Transporte – vor allem per Luftfracht – explodieren lassen“, erklärt der 56-jährige Logistiker, der auch ein Auge auf die Wirtschaftlichkeit hat. Hauptaufgabe eines Krankenhauses ist die medizinische Behandlung von Patient:innen und die kontinuierliche Gewährleistung der Patientensicherheit. Um dieser anspruchsvollen Aufgabe gerecht zu werden, sind aber neben den medizinischen Prozessen auch entsprechende Supportprozesse notwendig, die einen reibungslosen Ablauf der Patientenbehandlung unterstützen. Dabei übernehmen der Einkauf und die Logistik von Materialien samt Zentrallager eine wichtige Funktion.
DER NEUBAU BRACHTE CHANCEN
Historisch gewachsene Strukturen haben dazu geführt, dass Materialeinkauf und -logistik im Krankenhaus oftmals als Zusatzleistung vom medizinischen Fachpersonal übernommen werden. In der Folge entstehen ressourcenintensive Prozesse, da sich eine Vielzahl von Personen um die Materialwirtschaft kümmert. Gleichzeitig kommt es aufgrund von vielen dezentralen Lagern zu hohen Lagerbeständen, Materialverfall und zur Belegung knapper und teurer Flächen im Kernbereich des Krankenhauses.
Im Zuge des Neubaus sahen Logistik und Einkauf die Chance, auf ein Pilotprojekt zur Stationslagerversorgung in Regensburg aufsetzen und das konsequent umsetzen zu können. Eine übersichtliche Lagerung der verschiedenen Produkte auf kleinem Raum und eine gleichzeitige Optimierung der Arbeitsabläufe, aber auch die Entlastung des Pflegepersonals, damit diesem mehr Zeit für die Patient:innen zur Verfügung steht, sowie die bessere Struktur und Auffindbarkeit der Produkte standen bei der Projektumsetzung im Mittelpunkt. Die Frage wann müssen welche Bestellungen in welchem Umfang erfolgen, um einen lückenlosen Bestand zu gewährleisten, da im Klinikalltag mit sehr schwankenden Bedarfsmengen und sich verändernden Bedarfspositionen zu rechnen ist, konnte mit dem Modulsystem „ScanModul“ beantwortet und einfach abgebildet werden.
VORTEILE DES MODULSYSTEMS
„Die Vorteile eines Modulsystems liegen auf der Hand“, erklärt der 23-jährige Fachlagerist Jonas Wallner, der für die Bestückung der Waren auf der Intensivstation verantwortlich ist: „Das Pflegepersonal wird weitgehend von pflegefremden Tätigkeiten befreit und kann sich auf zeitnahe Belieferung und Bestandssicherheit verlassen. Eine optimal auf die Arbeitsabläufe und das Warensortiment ausgelegte Schrank- und Modulsystemplanung rundet das System ab. Die Warenbereitstellung im Zentrallager wird durch optimierte Kommissionier-Listen und eindeutig definierte Bestellungen rationalisiert.“
Das Konzept der Modulversorgung ist so erfolgreich, weil es durch Barcode und Scanner zudem einen hohen Automatisierungsgrad erreicht. Wenn eine Bedarfsposition sich dem Ende neigt, wird durch Scannen eines am Modul befestigten „Klickers“ der Bestellvorgang eingeleitet. Durch Anbindung an die Software MobiDik wird diese Bestellung an die Materialbereitstellung gesendet, und es entsteht eine KommissionierListe, die die benötigten Artikel enthält. Somit sind alle wichtigen Utensilien immer vorhanden und die Pflegekräfte stehen nicht vor leeren Modulen. Das First-In-First-Out-Prinzip vermeidet zudem Ausschuss durch Überschreitung der Mindesthaltbarkeit.
STRESSRESISTENZ ERFORDERLICH
Der pflegerische Leiter der Intensivstation, Hubert Forster, bestätigt dem System seine Sinnhaftigkeit: „Das System ist sehr sinnvoll und stellt für uns eine erhebliche Erleichterung dar. Vor der Implementierung des Modulsystems mussten pro Bestellung durch eine Intensivfachkraft mehrere dezentrale Lagerplätze überprüft, verschiedene Stück- oder Packungsangaben im Kopf gehabt und Doppelungen bei Bestellvorgängen zwischen dem Früh- und Spätdienst abgestimmt werden.“ Rund eineinhalb Stunden wurden so benötigt, um den Bestellvorgang zu koordinieren und auszulösen – und das drei Mal pro Woche.
Auf die Frage, was man für den Job mitbringen sollte, muss Gunter Walzenbach schmunzeln: „Für den Job braucht man Stressresistenz, eine Rundum-Sicht sowie eine gewisse Leichtigkeit.“ Er selbst liebt Herausforderungen. Sein Antrieb besteht darin, etwa Neues zu schaffen und dabei Zeit, Geld und Nerven für sich und die Mitarbeitenden auf den Stationen zu sparen. „Die Krankenhauslogistik kann als effizient bezeichnet werden, wenn sie ihre Funktion erfüllt und für alle Mitarbeitenden unbemerkt bleibt."
Seit Anfang 2020 werden so bereits auf vier Stationen die benötigten Artikel schnell und einfach per Barcode eingescannt. Drei weitere Stationen sind bereits auf das System vorbereitet. Das Team, das von manchen auch mal unbedacht als „die da unten im Lager“ genannt wird, organisiert zusammen mit dem Einkauf sämtliche Beschaffungen bis auf Büromaterial, Küchenbedarf sowie den OP, und Walzenbach kann mit Stolz behaupten, dass dem Krankenhaus St. Barbara in den vergangenen zwei Pandemie-Jahren durch gute Planung und Voraussicht kein einziger Artikel ausgegangen ist.