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Sinusvenenthrombose
Sie sind eine Frau, zwischen 40 und 50 Jahre alt, schwanger oder benutzen ein hormonelles Verhütungsmittel? Dann zweifelhaften Glückwunsch! Denn auf gut zwei Drittel aller Menschen, bei denen in der Zeitrechnung vor Corona eine Sinusvenenthrombose diagnostiziert wurde, treffen diese Aussagen zu.
So auch auf Rita (Name zum Schutz der Patientin geändert). Sie ist eine sportliche Mittvierzigerin, ihre Kinder halten sie auf Trab. Aber sie ist auch eine Frau, die von Corona ins Homeoffice verbannt wurde, weniger alltägliche Bewegung inklusive, und eine von vielen, die mit der „Pille“ verhütet. Und nicht zuletzt ist sie ein Mensch, der mögliche erste Anzeichen auf den Stress, die Dreifachbelastung und die wenig ergonomische Haltung am heimischen Schreibtisch geschoben hat. Bis auf diesen einen Abend Ende Januar.
Schnee lag draußen, viel Schnee. Daran erinnert sich Rita noch gut. Denn sie ist nachmittags mit ihrem Jüngsten noch durch den kniehohen Pulverschnee auf den umliegenden Wiesen getobt. Vielleicht nicht so ausgelassen, wie im Winter zuvor. Aber da waren auch nicht seit Wochen diese Anzeichen, die man als solche vielleicht schon hätte medizinisch einordnen können: starke Verspannungen, die sich über den Hinterkopf und den Nacken bis in den Rücken hinunterziehen; schwere Beine; regelmäßige Kopfschmerzen, ungewöhnlich stark auch für jemanden, der es kennt, mit Migräneattacken zu leben.
Schnelle Herzfrequenz
Nachmittags, im Schnee, ist ihr schon drei-, viermal aufgefallen, dass der linke Unterschenkel unerwartet zittert und beim Auftreten wegrutscht, dass sie die Motorik nicht mehr im Griff hat. Abends erzählt Rita ihrem Mann davon. Sie denkt kurz darüber nach, wie viele Schmerztabletten sie in den vergangenen Tagen und Wochen geschluckt hat, dass Wärmepflaster leider nur kurzfristig Linderung verschaffen und der Physiotherapeut bislang keine heilenden Hände hatte. Unbehagen macht sich in ihr breit, und ein Druck lastet auf ihrer Brust: Sind das Herzschmerzen? Sie greift mit der linken Hand nach einem Glas Wasser, als ihr Unterarm zuckt. Kurz, aber heftig. Noch während sie überlegt, sagt ihr Mann: „Das gefällt mir nicht. Ich bringe Dich jetzt zu einem Arzt.“
Keine Stunde später hält Rita einen Überweisungsschein in den Händen. Ausgestellt vom Bereitschaftsarzt, der bei ihr Blutdruck und Blutzucker gemessen, die neurologischen Reflexe geprüft und ein EKG geschrieben hat. Obwohl er keine neurologischen Ausfälle feststellt, zeigt er sich von der schnellen Herzfrequenz beunruhigt. Und das, was er anschließend auf den Überweisungsschein schreibt, verunsichert auch Rita: Verdacht auf Lungenembolie, Thrombose der Hirnvenen oder Vorderwandinfarkt mit der Bitte um Abklärung.
Erst CT, dann MRT
Mit dem gelben Zettel in der Hand schickt er Rita ein paar Türen weiter. Notaufnahme steht darauf. Die Tür öffnet und schließt sich hinter Rita automatisch. Erste Abhilfe sollen eineinhalb Liter Natriumchlorid schaffen, die ihr von einer Kardiologin intravenös verordnet werden. Es folgt ein CT. Dabei wird festgestellt, erklärt ihr ein Neurologe, dass es in ihrem Kopf „eine Form des Verschlusses“ gibt. Was genau das bedeutet, soll am kommenden Tag mittels MRT geklärt werden. Um sie über Nacht „im Blick zu behalten“ bringt sie der Neurologe auf der Stroke Unit unter, auf der er in den nächsten Stunden noch Dienst hat.
In den kommenden sieben Tagen folgen ein Umzug auf Normalstation, viele Heparin-Spritzen und noch mehr Untersuchungen: MRT, Ultraschall der Gefäße und Organe, EEG – alles im Dienste der Ursachenforschung. Tag für Tag kann ein anderer möglicher Auslöser ausgeschlossen werden. Zuerst ein Tumor im Körper, dann eine genetische Ursache und zuletzt „eigentlich“ auch das hormonelle Verhütungsmittel, erinnert sich Rita. Nach rund 25-jähriger Einnahme der Pille sei es eher unwahrscheinlich, dass diese jetzt eine Thrombose ausgelöst habe, erklärt ihr die behandelnde Oberärztin.
Antikörper entdeckt
Ihr Fall ist für die Ärzte interessant, Sinusvenenthrombosen kommen im klinischen Alltag nicht allzu häufig vor. Nur ein bis fünf Fälle pro 100.000 Menschen wurden in der Vergangenheit jährlich diagnostiziert. Wohlgemerkt in der Zeitrechnung vor Corona und der folgenden Diskussion um Nebenwirkungen von Impfstoffen.
Auch Rita möchte sich, wenn sie an der Reihe ist, gegen Corona impfen lassen. Noch ist das aber nicht möglich. Denn im Zuge der Ursachenforschung haben die Ärzte bei ihr Antikörper ausfindig gemacht, die auf eine zuvor durchgemachte Infektion mit Corona-Viren hinweisen. Eine Infektion, von deren Existenz in ihrem Körper sie nichts ahnt, bis es ihr das Laborergebnis schwarz auf weiß bescheinigt. Dass Corona auch Thrombosen auslösen kann, sagt ihr die Ärztin. Ein möglicher Schuldiger für Ritas Sinusvenenthrombose ist greifbar.
Mindestens sechs Monate warten, empfiehlt die Ständige Impfkommission in solchen Fällen. Bis dahin erzählt Rita Freunden und Bekannten ihre Geschichte - eine, die zeigt, dass das Schicksal auf unterschiedlichen Wegen zuschlagen kann. Im Falle einer Sinusvenenthrombose nicht nur nach einer Impfung, sondern auch nach einer (unerkannten) Corona-Infektion.
Hinweis: "Rita" wurde nicht im Krankenhaus St. Barbara Schwandorf behandelt. Ihr echter Name ist der Redaktion bekannt.