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Hyaluron-Spritzen fürs Knie?

(04.06.2019)

Chefarzt Dr. Horst Schneider und Oberarzt Dr. Helge Hasselberg beziehen Stellung

Unerträgliche Schmerzen in den Gelenken und oft jahrelange Besuche beim Facharzt. In Deutschland leiden rund fünf Millionen Menschen an Arthrose, häufig im Knie. Immer öfter hört man von Spritzen mit Hyaluronsäure direkt ins Kniegelenk. 40 bis 80 Euro werden je nach Präparat für eine Spritze fällig. Die Patienten versprechen sich eine Linderung ihrer Schmerzen und versuchen auch eine Operation für ein künstliches Kniegelenk abzuwehren. Wir haben unseren Experten von der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportmedizin im Krankenhaus St. Barbara Schwandorf die Fragen gestellt: Sind diese Spritzen eine echte Hilfe oder eine überflüssige IGeL-Leistung? Und welche Alternativen in der Behandlung gibt es?

Hyaluronsäure ist ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Bindegewebes. Sie wurde 1934 von Karl Meyer und John Palmer, Wissenschaftler an der Columbia Universität in New York, im Glaskörper des Auges entdeckt. Erste medizinische Anwendungen erfolgten in den 1960er Jahren bei Wunden. Gelenkinfiltrationen, also Spritzen in das Gelenk, wurden bereits in den 1980er Jahren durchgeführt, in den 90er Jahren wurden hyaluronsäurehaltige Lotionen populär in der Kosmetikindustrie.

Die besondere Fähigkeit der Hyaluronsäure ist die Bindung von Wasser: Ein Gramm Hyaluronsäure kann bis zu sechs Liter Wasser binden! Der menschliche Körper nutzt sie zum Aufbau von gelartigen Substanzen. Sie ist wichtiger Bestandteil des Knorpels und der Synovia – der Gelenkflüssigkeit. Der hyaline („durchscheinende“) Gelenkknorpel erhält seine dämpfende Wirkung und die Synovia die erforderliche Viskosität („Zähflüssigkeit“) als Gelenkschmiere.

Wirksamkeit ist umstritten

Hyaluronsäure kann aus tierischen Materialien gewonnen werden, wird aber zunehmend biotechnologisch hergestellt. In der Regel erfolgen ein bis fünf Injektionen in das Gelenk. Die Wirksamkeit der Gelenkinfiltration mit Hyaluronsäure ist jedoch sehr umstritten. Bei der Arthrose kommt es zum allmählichen flächigen Verschleiß des hyalinen Gelenkknorpels und dann zu Entzündungen, der Gehalt an Hyaluronsäure in der Gelenkflüssigkeit nimmt ab. Nichts liegt scheinbar näher, als sie dem Körper wieder zuzuführen, so die Theorie.

Die genaue Wirkweise von Hyaluronsäure-Infiltrationen ist jedoch noch nicht abschließend geklärt. Eine Reihe von positiven Effekten auf den Knorpel werden erwartet, zum Beispiel soll der Zelltod von Knorpelzellen aufgehalten, Entzündungen gehemmt und die Viskosität der Gelenkflüssigkeit verbessert werden. Diese Aussagen können jedoch noch nicht ausreichend durch Studien belegt werden. Auch die optimale Anzahl der Anwendungen ist nicht geklärt.

Jüngste Forschungen kommen zu dem Schluss, dass Hyaluronsäure-Behandlungen eine schmerzlindernde Wirkung und eine Verbesserung oder den Erhalt der Beweglichkeit erreichen können. Positive Effekte wurden jedoch nur bei milder bis moderater Arthrose nachgewiesen. Bei fortgeschrittener Arthrose ist keine ausreichende Wirksamkeit belegt.

Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen eine Hyaluronsäure-Behandlung in der Regel nicht. Sie wird als „Individuelle Gesundheitsleistung“ (IGeL) angeboten. Aktuell besteht Konsens, dass zu Beginn der konservativen Therapie der Arthrose zuerst allgemeine Maßnahmen wie Gewichtsreduktion, Bewegung und Physiotherapie stehen. Non-steroidale Antiphlogistika, also bestimmte Medikamente, die schmerzlindernd, entzündungshemmend und fiebersenkend wirken, haben sich ebenfalls bewährt. Die Schmerztherapie kann ergänzt werden durch weitere Analgetika (schmerzstillende Mittel), Paracetamol wird bei Arthrose nicht empfohlen. Schließlich können einzelne Injektionen mit Glukokortikoiden (Kortison) die Symptome vorübergehend lindern.