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Wenn aus Liebe Leben wird – Hebammen erzählen
„Während eines Auslandeinsatzes in Afghanistan brannte während der Geburt plötzlich der Kerosinofen im Zimmer lichterloh. Und zwar nicht nur innen, sondern auch außen. Es bestand keine Chance, die Gebärende aus dem Raum zu schaffen. Also rief ich panisch nach dem Wächter, der mit seinem hellen Gewand und dem weißen Turban auf dem Kopf wie eine Lichtgestalt erschien, den Ofen aus seiner Verankerung riss und ihn nach draußen trug. Das Kind wurde im nächsten Augenblick geboren.“
Auch wenn nicht alle Geschichten über Geburten so spektakulär sind, wie die, die Hebamme Christiane Hinum zu erzählen hat, so eint sie die Liebe. Die Liebe, aus der heraus die Babys entstanden sind. Die Liebe zum ungeborenen Kind, wegen der Mütter auch beschwerliche Schwangerschaften und Geburtsschmerzen auf sich nehmen. Und die unbeschreibliche Liebe, wenn Mutter und Kind sich erstmals im Leben begegnen.
15 freiberufliche Hebammen arbeiten am Krankenhaus St. Barbara Schwandorf. Sie stellen an 365 Tagen rund um die Uhr sicher, dass die zum Leben erwachte Liebe der Eltern einen guten Start in eben dieses hat. So unterschiedlich all diese Frauen sind, etwas verbindet sie: die Liebe zum Beruf. Hebamme, das wird im Gespräch klar, wird man nicht, weil es der Berufsberater empfiehlt. „Hebamme wird man“, schwärmt Christina Vollath, „weil es ein nahezu unerschöpfliches Potential hat, zu begeistern – vergleichbar mit Naturgewalten, die einen zum Staunen bringen.“
Zweites Baby obendrein
Die Entscheidung für diesen Beruf, der für die Frauen oftmals mehr als Berufung gesehen wird, fällt auf unterschiedliche Weise. Für Steffi Bruckmüller begann alles mit einem Praktikum, bei dem sie mit einer Hebamme zu Hausbesuchen fahren durfte. „Da wusste ich, dass ich das auch werden will, denn die hatte soviel Spaß mit den Frauen, und die Frauen waren so dankbar und glücklich“, schwelgt sie in Erinnerungen. Auf einem Umweg kam dagegen Silke Meingast zu ihrem Traumberuf. Sie hat ursprünglich als Medizinische Fachangestellte bei einem Gynäkologen gearbeitet. Weil ihr dort die Arbeit mit den Schwangeren soviel Freude bereitet hat, hat sie der Arzt in der Freizeit immer wieder zu Geburten mitgenommen. So wurde ihr Wunsch geboren, Hebamme zu werden.
Dass es einem im Hebammen-Alltag nicht langweilig wird, davon könnten die Frauen wohl abendfüllend Geschichten erzählen. Sie reichen vom Notkaiserschnitt am Silvestertag, bei dem sich nach einem Baby auch noch ein zweites Baby zeigte, wie Silke Meingast verrät. Die Mutter habe im Vorfeld nichts vom doppelten Glück gewusst und es erst erfahren, als sie aus der Narkose aufgewacht war. Nicht weniger aufregend klingt die Geschichte von Lena Jehl-Hüttner, die eine Schwangere betreute, die erst vier Stunden vor der Geburt überhaupt erfahren hatte, dass sie schwanger war: „Trotzdem war sie nach der Geburt innerhalb von Sekunden total verliebt in das Baby. Das hat mich sehr bewegt.“
Niedrige Sectio-Rate
Der Grund, weshalb sie sich eingefunden haben und aus dem Kreißsaal-Nähkästchen plaudern, liegt am 5. Mai. An diesem Tag wird seit 1991 und mittlerweile in über 50 Ländern der Internationale Hebammentag begangen. Er wurde ausgerufen, um Hebammen und ihre Arbeit zu ehren und auf die Bedeutung der Hebammen für die Gesellschaft hinzuweisen. Denn daran lassen die Schwandorfer Geburtshelferinnen keinen Zweifel: Frauen brauchen Hebammen. Und manchmal auch die Männer… - sei es auch nur, um moralische Unterstützung zu erfahren, wenn sie im Augenblick der Geburt oder kurz danach Rotz und Wasser heulen, weiß Steffi Lang zu berichten.
„Eine große Bedeutung hat im Krankenhaus St. Barbara die sogenannte risikoadaptierte Geburtshilfe“, erklärt Chefärztin Dr. Susanne Merl. Dabei stellen sich Schwangere ungefähr in der 35. Schwangerschaftswoche zur Geburtsplanung vor. Sowohl die Hebamme als auch die Ärztin klären dann in einem persönlichen Gespräch und bei einer Ultraschalluntersuchung, ob und welche Risiken gegebenenfalls für die Geburt bestehen. Die Schwangere und ihr Partner werden dabei in ihrem Selbstvertrauen in eine natürliche Geburt bestärkt, Risiken werden besprochen. Diese individuelle Vorbereitung führt Dr. Merl als einen der Gründe dafür an, dass die Kaiserschnittrate in Schwandorf bei unter 18 Prozent liegt. Bayernweit kommt dagegen knapp jedes dritte Baby per Kaiserschnitt (Sectio) zur Welt. Das ist eine auffallende Diskrepanz zu einer anderen bekannten Statistik, wonach sich nur zwei von hundert werdenden Müttern eine geplante Sectio wünschen. Umso wichtiger ist laut der Chefärztin eine 1:1-Betreuung der Gebärenden im Kreißsaal, wie sie die Beleghebammen am Krankenhaus St. Barbara umsetzen.
Die Hebammen bleiben an der Seite der werdenden Eltern - egal, ob sich eine Geburt über Stunden hinzieht oder ob es so schnell geht, „dass eine Frau quasi schon in der Kreißsaal-Tür anfängt zu pressen“. Dann, so weiß Rebecca Müller, „muss man vor allem das Kind sicher auffangen“. Die Dauer der Geburt ist genauso unterschiedlich wie die bevorzugten Hilfsmittel. Während eine Frau sich im Gebärbett wohler fühlt, schwärmen andere noch lange danach von ihrer Wassergeburt. Zur Erleichterung stehen die Hebammen unter anderem mit Aromatherapie, Akupunktur oder Homöopathie zur Seite. Auf Wunsch gibt es auch eine Periduralanästhesie (PDA).
„Mutter und Kind wohlauf“
Was viele Schwangere nicht wissen, ist, dass Hebammen auch vor der Geburt schon um Rat gefragt werden können. Dabei gibt es Tipps für Sodbrennen und Schlafstörungen genauso wie Berufsweisheiten für die heiße Phase vor der Geburt. „Nichts planen, alles auf sich zukommen lassen“, empfiehlt zum Beispiel Hebammensprecherin Sandra Wallner. Sich nochmal bewusst Zeit für sich und den Liebsten nehmen, rät Christine Dürr. Denn vieles, was einer Frau gut tut, könne man dann mit Baby so schnell nicht mehr machen.
Und wenn es der Fall ist, dass die Hebamme nicht als Hebamme, sondern als werdende Mutter im Kreißsaal ist, dann, erzählen die Geburtshelferinnen übereinstimmend, sei man trotz aller Routine „einfach nur Frau“. Für sie alle war es vor, während und nach der eigenen Geburt sehr wichtig, eine vertraute Hebamme an ihrer Seite zu wissen, die sie durch das Abenteuer Geburt begleitet. Denn um weniges ranken sich so viele Mythen und bündeln sich die Hoffnungen wie darum, dass bei einer Geburt alles gut geht – und dass der Partner anschließend stolz verkünden kann: Mutter und Kind wohlauf!
Einen solchen Ausgang bleibt zum Glück auch Christiane Hinum bei ihren Erinnerungen an Afghanistan nicht schuldig. Mutter und Kind waren nach der Geburt wohlauf, wie auch der mutige Wächter nach seinem selbstlosen Einsatz. Als sie sich daran erinnert, liegt ein Lächeln auf ihren Lippen. Ihre Augen sind geschlossen und ihre Gedanken ganz bei dieser einen Geburt.