Medien
Was ist uns eine gute Pflege wert?
Nach dem Volksbegehren zur Rettung der Bienen macht derzeit ein weiteres Volksbegehren in den Medien Schlagzeilen. In Bayern haben mehr als 100.000 Menschen ein Volksbegehren gegen den Pflegenotstand in bayerischen Krankenhäusern unterschrieben. Und das in nur zwei Monaten. Die nötige Anzahl von 25.000 Unterschriften wurde weit übertroffen. Aber woher kommt dieser Erfolg?
Das Thema Pflege ist mittlerweile in der Breite der Bevölkerung angekommen. Dass Deutschland auf einen Pflegenotstand hinsteuert und in den Ballungsräumen teilweise dort schon angekommen ist, darauf wird von den Berufsverbänden der Pflege schon seit mehreren Jahren hingewiesen. So langsam wird aber aus dieser abstrakten Behauptung für viele Menschen leider bittere Realität. Zum Beispiel wird es immer schwieriger einen Heimplatz für den Angehörigen zu finden, die Wartezeiten auf Operationen werden länger und die Patienten im Krankenhaus spüren auch, dass die Zeit für die Pflege immer weniger wird.
Das Thema wird seit einigen Monaten auch immer präsenter in den Massenmedien. Dies hat dazu geführt, dass auch in der Politik die Themen Pflege und Pflegenotstand angekommen sind. Allerdings wird in den Medien und auch in der Politik die Pflege über einen Kamm geschert. Es wird selten differenziert, ob es sich um Angehörigenpflege, Altenpflege oder Pflege im Krankenhaus handelt. Wenn durch die Medien eine Meldung geistert, dass die Bundesregierung 8.000 oder 16.000 zusätzliche Pflegestellen geschaffen hat, wird nicht deutlich ob diese in den Altenheimen, in den Krankenhäusern oder sonst wo geschaffen wurden.
Erste Auswirkungen
Zwei Reformen der Bundesregierung, die seit diesem Jahr in Kraft sind, haben bereits Auswirkungen auf uns:
- Das erste ist die Pflegepersonaluntergrenzenverordnung (PpUGV), die erstmalig für bestimmte Bereiche ein Patienten-Pflege-Verhältnis in den Krankenhäusern festschreibt.
- Das zweite Gesetz mit Auswirkung auf uns ist das Pflegepersonalstärkungsgesetz. Hierin werden die Krankenkassen dazu verpflichtet, jede zusätzliche Stelle, die über den Stellenanteil von 2018 hinausgeht, voll zu finanzieren. Außerdem ist festgelegt, dass eine tarifliche Erhöhung der Pflegelöhne auch komplett von den Kassen übernommen werden muss.
Was eigentlich so selbstverständlich erscheint, war in der Vergangenheit allerdings nicht gegeben. Auf den ersten Blick erscheint doch jetzt alles gut. Blickt man allerdings genauer hin, sieht man, dass in diesen beiden Gesetzen beziehungsweise Verordnungen gute Ansätze stecken, sie aber für eine adäquate Pflege noch nicht ausreichen. So ist die PpUG nur für einzelne Bereiche des Krankenhauses zutreffend.
14 zusätzliche Stellen
Das Krankenhaus St. Barbara fällt im Bereich Intensivstation darunter. Aufgrund großer Anstrengungen in der Personalsuche und schon genehmigter Stellen bezüglich der Erweiterung der Intensivstation im Neubau können wir die Pflegepersonaluntergrenzen einhalten. Im nächsten Jahr sollen weitere Bereiche unter die Pflegepersonaluntergrenzenverordnung fallen. Aus diesem Grund sind wir weiterhin auf intensiver Personalsuche und werden in diesem Jahr erstmals Krankenpflegekräfte aus dem Ausland zu uns nach Schwandorf holen.
Das Pflegepersonalstärkungsgesetz ist eine notwendige Ergänzung der Verordnung, da ansonsten die neu geschaffenen Pflegestellen nicht finanziert wären. Aufgrund dieses Gesetzes konnten wir im Jahresdurchschnitt dieses Jahr schon 14 zusätzliche Krankenpflegestellen schaffen. Dies führt zu einer spürbaren Entlastung der Pflegekräfte vor Ort. Allerdings sind wir noch nicht am Ziel. Beide Vorgaben haben nämlich auch ihre Schwachstellen und fordern für ihre Umsetzung viel vom Pflegemanagement. Auf diese Schwachstellen weist das Volksbegehren zum Pflegenotstand in Bayern hin. Die Initiatoren schaffen es allerdings nicht, auch adäquate Lösungen vorzuschlagen.
Neue Wege zur Personalfindung
Mehr Pflege zu fordern, ist relativ einfach, die Frage ist nur, wo sollen die Pflegekräfte herkommen? Im Krankenhaus St. Barbara haben wir deshalb einen Arbeitszirkel gegründet, bei dem wir versuchen neue Wege zur Personalfindung zu gehen. Wir müssen mehrere Wege bestreiten, um zum einen mehr Pflegepersonal ins Haus zu bekommen, allerdings auch, um den Pflegeberuf, der immer noch einer der schönsten Berufe der Welt ist, zu begeistern.
Das Volksbegehren ist insofern auch etwas janusköpfig zu sehen. Auf der einen Seite hilft es dabei, das Thema Pflege wieder mehr in den Fokus zu rücken. Auf der anderen Seite kann es aber auch Menschen abschrecken, diesen Beruf zu ergreifen, da es ja Notstand gibt und man in eine Mangelsituation kommt, die für mich sehr anstrengend sein kann. Um die Pflege insgesamt aufzuwerten und zu stärken, bedarf es meiner Meinung nach mehrerer Maßnahmen:
- Eine klare Abbildung der Leistung, die unsere Pflegenden jeden Tag bringen, als Grundlage einer ehrlichen Personalausstattung.
- Es muss gelingen, den Pflegenden derartige Arbeitsbedingungen zu bieten, damit sie möglichst lange in ihrem Beruf bleiben können und gerne zur Arbeit gehen. Dazu gehören verlässlichere Dienstpläne wie die Zeit, das einmal Gelernte in Ruhe in die Praxis umsetzen zu können oder um den Patienten genug Zuwendung zu geben.
- Die Pflege muss eigenständiger und als Profession anerkannt werden. Die von der Bayerischen Landesregierung initiierte Vereinigung der Bayerischen Pflege ist der falsche Weg. Es muss in Bayern genauso wie in vielen anderen Bundesländern endlich eine Pflegekammer geben, in der die Pflegenden selbst ihre Arbeitsbedingungen regeln können.
- Die Ausbildung muss so attraktiv gestaltet werden, dass immer mehr Menschen diesen erfüllenden Beruf ergreifen wollen.
- Wir müssen weg davon, die Pflege schlecht zu reden, sondern auf die vielen positive Aspekte dieses Berufes hinweisen und Interesse wecken.
Diese Liste würde sich noch weiter fortführen lassen. Erste Schritte in Richtung einer besseren Ausstattung der Krankenhäuser mit Pflegekräften sind getan. Es bleibt nur zu hoffen, dass es nicht zu einem Stillstand kommt oder der Weg aufgrund zu hoher Kosten wieder verlassen wird. Wir alle müssen uns fragen, was uns eine gute Pflege wert ist.